Was ist ein Trigger?

Trigger heißt übersetzt „Auslöser”. In der Psychologie ist ein Trigger etwas (ein bestimmtes Lied, ein Geruch oder eine Umgebung), das bei einer Person Erinnerungen oder Gefühle auslöst, die mit einer früheren Erfahrung verbunden sind. Ursprünglich stammt der Begriff aus der Traumatherapie.

Was ist eine Triggerwarnung?

Eine Triggerwarnung (abgekürzt: „TW“) ist ein Hinweis, der vor dem Beginn eines Inhalts gegeben wird, um darauf aufmerksam zu machen, dass in dem folgenden Text/Video möglicherweise traumatisierende Themen besprochen werden. TW sind ursprünglich dafür gedacht, Personen zu schützen, die in der Vergangenheit traumatische Erfahrungen gemacht haben.

Die Wirkung von Triggerwarnungen ist wissenschaftlich nicht belegt! Es gibt sogar Studien, die zu dem Ergebnis kamen, dass sie einen negativen Einfluss auf Betroffene haben.

Wer fordert sie ein?

Ich habe es oft erlebt, dass TW von Menschen eingefordert werden, die selbst von einer gewissen Thematik nicht betroffen sind. In den meisten Fällen ist das absolut lieb und rücksichtsvoll gedacht. Allerdings sehe ich hier zwei Probleme: Zum einen kenne ich viele Betroffene, die sich dadurch bevormundet fühlen. Wenn Außenstehende sich ungefragt einmischen, impliziert das schnell, dass diese Personen besser als die Betroffenen selbst wissen, was für sie gut oder schlecht ist, und schränkt deren Selbstbestimmung ein. (Vor allem gelten Menschen mit psychischen Erkrankungen ohnehin oft als schwach) Nicht-Betroffene haben oft kein echtes Verständnis davon, was von Betroffenen als Trigger empfunden wird. Da Trigger keiner bestimmten Logik folgen müssen, ist es für Außenstehende nicht so leicht, sich einen Trigger vorzustellen.

Wer fordert sie ein?

Zur Unwissenheit: Wenn du dich mit einem bestimmten Störungsbild nicht auskennst, kennst du ggf. auch die gängigsten Trigger nicht. Wie gesagt: Trigger können sehr individuell sein. Aber häufig überschneiden sie sich auch. Bsp.: Ich sehe in Büchern häufig die TW “Panikattacke”. Ich habe mit vielen Betroffenen gesprochen und die aller meisten fühlen sich durch die Beschreibung einer Panikattacke nicht getriggert. Stattdessen wurde meist “Herzrasen, ungewöhnliche körperliche Symptome, Luftnot etc.” als Auslöser einer Panikattacke genannt. Viele Personen mit Kinderwunsch beschrieben als Trigger nicht „ungewollte Kinderlosigkeit“, sondern vielmehr „Abtreibung“ und „ungewollte Schwangerschaft“. (Erinnert mehr an die eigenen Wünsche)

Inflationärer Gebrauch

Es ist praktisch unmöglich, alle potenziellen Trigger zu identifizieren und zu warnen, da fast jeder Inhalt für jemanden irgendwo verstörend sein könnte. Vergleich: Wie sinnvoll wäre es, wenn man in einem Text jedes einzelne Wort markiert (weil alles wichtig erscheint)? Wenn jeder bei einem schlechten Tag von Depressionen spricht, verlieren Betroffene an Glaubwürdigkeit. Deshalb würde ich mir wünschen, dass wir „das triggert mich“ nicht mit „nervt mich“ gleichsetzen. Wichtig: Wenn eine Reihe zB keinen einheitlichen Farbschnitt hat, kann das natürlich „triggern“. Aber das wird vor allem Menschen mit Zwangsstörung betreffen.

Trigger sind individuell

Wenn wir bestimmte Themen als „Triggerwarnung würdig” einstufen, kann das so wirken, als würden wir nur bestimmte Arten von Traumata oder Erfahrungen anerkennen, während andere ignoriert werden. Dies kann dazu führen, dass bestimmte Themen oder Erfahrungen in der öffentlichen Wahrnehmung als „wichtiger“ oder „ernsthafter“ als andere angesehen werden. Was für die eine Person ein Trigger sein kann, ist für eine andere möglicherweise harmlos. Traumatische Erlebnisse und die darauffolgenden Reaktionen sind höchst persönlich. Eine Triggerwarnung, die auf allgemeine oder verbreitete Auslöser abzielt, kann nicht alle individuellen Trigger abdecken, die einzelne Personen haben könnten. Kurz gesagt: ALLES kann als Trigger angesehen werden.

Wie ist das Thema umgesetzt?

Wenn wir von einem Buch ausgehen, kann es sehr unterschiedliche Arten geben, wie ein Thema behandelt wird. Steht ein bestimmter Begriff in einer Auflistung an “potenziell triggernden Themen” ist Betroffenen damit nicht unbedingt geholfen. Hierbei weiß man nämlich immer noch nicht, ob das Thema nur in einem Nebensatz erwähnt wird oder das Hauptthema des Buches ist. Zudem haben wir keine Details.

Ich selbst habe zB sexuellen Missbrauch erlebt und empfinde die Thematisierung immer sehr anders. Geht es um die Schuldfrage, lässt mich ein Buch/Film meist lange nicht los. Außerdem kommt es bei mir auch stark darauf an, wer betroffen ist. Je näher Opfer/Täter mit mir zu tun haben, desto stärker empfinde ich einen Trigger. Kindes**brauch ist zum Beispiel etwas, was mich natürlich total schockt. (Wen nicht?) Allerdings erlebe ich das selten als Trigger, da ich mich mit der Situation weniger identifiziere. Genauso ist es, wenn die Opfer männlich sind. Was absolut nicht heißt, dass das weniger schlimm ist!

Auch bei dem Thema Essstörung ging es bei mir immer um das „wie“. Werden Gewichtsangaben genannt? Wird das genaue Essverhalten beschrieben? Weist das Buch eventuell auf Probleme hin, die Betroffene eher als wohltuend empfinden? (Mir hat es zB eher gutgetan, Berichte über Menschen mit Magersucht zu lesen, die im Normalgewicht sind. Weil mir das die Angst nahm, „nicht krank genug zu sein“.)

Sensationsgier

Verstärkung des Interesses an sensiblen Themen: Die Verwendung von Triggerwarnungen kann paradoxerweise das Interesse an bestimmten Inhalten erhöhen, da sie eine Art „Verbotenes-Frucht“-Effekt erzeugen können. Wenn Menschen darauf hingewiesen werden, dass etwas potenziell verstörend oder kontrovers ist, kann dies ihre Neugier wecken und sie eher dazu bringen, sich den Inhalt anzusehen. Ich will das niemandem zum Vorwurf machen, aber auf TikTok sehe ich sehr häufig Videos mit einem ähnlichen Wortlaut wie „Wenn das Buch eine lange Triggerwarnung hat >>>“ Diese Videos hatten extrem hohe Aufrufzahlen und Likes. In den Kommentaren tummelte sich die Zusprüche. Ist das der Gedanke hinter einer Triggerwarnung? „Oh das macht das Buch spektakulär!?”

Tabuisierung

Die Verwendung von Triggerwarnungen kann dazu beitragen, dass bestimmte Themen als besonders problematisch oder „gefährlich“ wahrgenommen werden. Dies kann ein Stigma um diese Themen verstärken und dazu führen, dass sie weniger offen in der Gesellschaft diskutiert werden. Beispielsweise könnten Themen wie psychische Gesundheit, Gewalt oder Missbrauch durch die ständige Kennzeichnung mit Triggerwarnungen als zu sensibel oder kontrovers angesehen werden, was offene Gespräche darüber erschwert.

Befreit von Verantwortung

Künstler/Verlage etc.

Indem Künstler eine Triggerwarnung anbringen, können sie argumentieren, dass sie das Publikum ausreichend informiert haben und es nun in der Verantwortung des Einzelnen liegt, zu entscheiden, ob sie das Werk konsumieren möchten oder nicht. Dies kann als eine Form der Abwälzung der Verantwortung angesehen werden, da der Künstler sich nicht weiter mit den potenziellen Auswirkungen seines Werkes auseinandersetzen muss. Für mich heißt das, dass es Aufgabe des Verlags ist, für ein Buch richtig zu werben. Cover, Klappentext, Vorschau sollten definitiv deutlich machen, ob es sich um einen süßen Liebesroman oder einen brutalen Thriller handelt.

Betroffene:

Manche Kritiker befürchten, dass Triggerwarnungen dazu führen könnten, dass Menschen sich zu sehr auf externe Schutzmaßnahmen verlassen und lernen, Herausforderungen oder unbequeme Situationen zu vermeiden, anstatt Strategien zu entwickeln, um mit ihnen umzugehen. Ich persönlich habe irgendwann gemerkt, dass ich nur gesund werden kann, wenn ich für mich selbst Verantwortung übernehme. Das heißt: Ich lerne mit meinen Triggern umzugehen und mich zu hinterfragen. Natürlich kann man in schwierigen Phasen sagen, dass man sich gewisse Themen nicht antun will. Das ist ja auch vollkommen okay. Das mache ich auch. Aber dann informiere ich mich vorab über das Buch, frage Leute, lese im Internet und im aller schlimmsten Fall, wenn ich merke, dass es mir nicht guttut, dann breche ich es ab. Das ist dann meine Verantwortung. Und wenn ich es aus irgendeinem Grund doch weiterlese (manchmal merkt man es vielleicht auch zu spät), dann versuche ich an diesen Gefühlen zu wachsen. Auch während meiner Essstörung: Meine Oma väterlicherseits ist nicht unbedingt die sensibelste Person. Während meiner Krankheit, baten meine Eltern sie, meine Figur niemals zu kommentieren. Niemals! Weder positiv noch negativ! Die meiste Zeit hielt sie sich daran. In der Zeit 2018 bis 2019 habe ich sehr viel zugenommen. Irgendwann hat sie dann einen Spruch gedrückt wie „endlich kann man dich wieder richtig in den Arm nehmen.“ Dieser Kommentar hat mich damals unfassbar getroffen und schreckliche Gefühle ausgelöst („ich bin dick geworden“). Aber aus heutiger Sicht weiß ich, dass ich … von meiner fast 80-jährigen Oma nicht erwarten konnte, eine komplexe psychische Erkrankung zu verstehen. 2. … die Welt nicht ändern kann, nur mich selbst und wie ich damit umgehe. 3. …, dass diese Gefühle MEIN Problem sind und nicht ihres. Es war kein böser Kommentar, keine fiese Intention. Das Problem war MEINE Krankheit, nicht ihre Bemerkung.

Fazit

Ich möchte dazu noch sagen, dass mir bewusst ist, dass ich aus einer privilegierten Sicht spreche, da ich die Chance hatte, durch Psychotherapie zu lernen. Ich weiß, dass vielen Betroffenen der Zugang erschwert wird. (Grund ist hauptsächlich, dass die Politik nicht genug Kassensitze zur Verfügung stellt und viele Psychotherapeuten nur privat versicherte oder Selbstzahler behandeln dürfen, weil sie mit gesetzlichen Krankenkassen nicht abrechnen können.) Das ist ein politisches Problem und ich bin sofort dabei, wenn Leute auf diesen Mangel aufmerksam machen. Ich persönlich würde mir einfach nur wünschen, dass wir uns gemeinsam über diesen Punkt ärgern, anstatt immer mehr Triggerwarnungen zu setzen. Kommt mir einfach wie der falsche Ansatz vor. Letztendlich ist es aber auch nur meine Meinung, die sich natürlich auch nochmal ändern kann. Das will ich dazu deutlich sagen. Bestimmte Punkte habe ich vor einigen Jahren auch anders gesehen. Ich möchte meine Gedanken aber trotzdem teilen, weil ich hoffe, dass sie zum Nachdenken anregen. Letztendlich bin ich nämlich felsenfest davon überzeugt, dass jeder einzelne, der sich laut für eine TW einsetzt, das Beste für sich und andere wünscht. Und damit geht es uns am Ende definitiv gleich!